Als Berater nach Brasilien

Nicht der klassische Auswanderer

Wer an Brasilien denkt, hat meist die Copacabana, Regenwald und Fußball vor Augen. Das sind aber nur kleine Ausschnitte eines großen Landes. Wirtschaftlich ist es nicht immer leicht, dort Fuß zu fassen, aber wenn es beruflich die Chance gibt, lohnt es sich. So wie bei Peter Feist.

Für DIA steht er als Länderexperte anderen Auswanderern zur Seite und hat uns von seiner Auswanderung berichtet. Zunächst muss man sagen, dass ich nicht zu den klassischen Auswanderern zähle. Bei mir begann alles 1998 mit einem beruflichen Aufenthalt in Brasilien. Ich arbeitete zu der Zeit in einem Beraterteam teilweise mit brasilianischen Diplomaten. Durch diese Zusammenarbeit bekam ich eine Einladung der Landesregierung in Rio Grande do Sul (südlicher Bundesstaat) als Berater. In der Folgezeit war ich an Universitäten und auch als Präsident eines lateinamerikanischen Europainstitutes tätig.

Auch privat näherte ich mich dem Land an. In Deutschland war ich seit einiger Zeit nicht mehr verheiratet und lernte in Brasilien meine heutige Frau kennen. In den folgenden Jahren war ich dann auch beratend in verschiedenen Bereich des Nordostens Brasilien, zum Beispiel beim Aufbau eines Hotels tätig. Diese Entwicklungen haben mich dann zu der Entscheidung gebracht, in Brasilien weiterzuleben. 

Ihr Ansprechpartner

Peter Feist
Länderexperte Brasilien

pfxgroup1@gmail.com

Vieles läuft in Brasilien anders

Der Vorteil Brasiliens besteht darin das es keinen Kulturschock gibt wie eventuell bei einem Leben in asiatischen oder arabischen Ländern. Die Menschen sind sehr freundlich und aufgeschlossen und es herrscht einen etwas leichtere Einstellung zum Leben. Wenn ich beispielsweise als Deutscher an der Universität anfangs sagte: „Bei und in Deutschland haben wir das so oder so gemacht“ schauten mich die Professorenkollegen an und fragten „Wo und was ist Deutschland? Hier ist Brasilien.“ Was nicht bedeutete, dass man gegen positive oder konstruktive Vorschläge war. Vielmehr ging es um die Art, Kritik anzubringen und das selbstverständlich auch einiges in Brasilien anders läuft. Obwohl vieles aus Europa bereits übernommen und angepasst wurde (wie das GmbH-Gesetz, Aktienrecht, Zivilrecht oder das Grundbuch - nur um nur ein paar Punkte zu nennen).

Natürlich ist Brasilien nicht Europa, aber da ich ja nun nicht der klassische Auswanderer bin, gab es für mich auch keine Probleme oder Überraschungen. Was beispielsweise den Führerschein betrifft, so muss man diesen, nach Erlangung des Wohn- /Aufenthaltsrechts, umtauschen. Das ist dann auch mit einer kleinen Prüfung und medizinische Eignungsuntersuchung verbunden. Und anders als in Deutschland muss man alle vier Jahre einen neuen Eignungstest ablegen.

Auch mussten meine Dokumente wie Diplome mehrere Anerkennungsinstanzen durchlaufen. So muss eine Geburtsurkunde eines deutschen Standesamtes vom Gerichtspräsidenten in Deutschland nochmals beglaubigt werden. Diese Abläufe muss man bei einigen Dokumenten, die man benötigt wenn man den Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung stellt, beachten.

Soziale Absicherung in Eigenregie

Wenn wir gerade bei den Formalitäten sind: Die soziale Absicherung ist natürlich eine andere als in Deutschland. Eine Form wie den Sozialstaat gibt es nicht. Wer aber in jungen Jahren hier herkam und auch eine gut vergütete Arbeit hatte, erhält eine angemessene Rente. Arbeitslosengeld oder soziale Unterstützung, wie es Deutsche kennen, existiert nicht oder kaum. Auch was den Krankheitsfall betrifft, muss man sich selbst kümmern. Für Einwanderer aus Deutschland gibt es deutsche Krankenversicherungen in Brasilien oder man vertraut einer internationalen Krankenversicherung.

Schmelztiegel der besonderen Art

Das Besondere an Brasilien ist in meinen Augen der Umgang mit Fremden. Interkulturelle Schwierigkeiten gab es nie. Und dass obwohl Brasilien ist vierundzwanzig mal so groß ist wie Deutschland und auch ein Schmelztiegel der Nationen. Interessanterweise bringt das aber keine solchen Probleme mit sich wie in Deutschland.

Im südlichen Teil leben in Brasilien vorwiegend Menschen mit portugiesischen, deutschen oder italienischen Vorfahren, die auch ihre jeweiligen Traditionen pflegen. In Dreizehnlinden feiern die Österreicher und in Blumenau, meinem Bundesland, die Deutschen beispielsweise mit dem großen Oktoberfest in Pomerode. Lustig fand ich bei meinem ersten Besuch in Blumenau/Pomerode auch, wie hier die deutsche Sprache erhalten ist. Diese hat sich im Gegensatz zu Deutschland nicht weiterentwickelt. So spricht man ein Art altes Hunsrück oder Pommerndeutsch.

Dennoch sind alle dort ihrer Aussage nach in erster Linie Brasilianer und auch stolz darauf. Im Norden und Nordosten, wo die Landwirtschaft das Leben bestimmt, gibt es viele Brasilianer afrikanischer Abstammung. Auch diese wahren ihre Traditionen - fühlen sich aber als Brasilianer. Man könnte es auch anders ausdrücken: Parallelgesellschaften existieren hier nicht.

Tolles Land für Auswanderer, die offen für Neues sind

Das sind ein paar der Gründe, weshalb wir uns in Brasilien so wohl fühlen. Dazu gehören natürlich aber auch das Klima, die vielfältige Natur und die etwas leichtere Lebensweise. Das bedeutet aber nicht, dass man nicht arbeiten muss, um gut zu leben. In den südlichen Regionen, wie Santa-Catarina, Parana und teilweise in Rio Grande do Sul findet man eine hohe Lebensqualität vor. Es gibt modernste Supermärkte, Shoppingcenter, Freizeitbereiche, Luxuswohnappartements, Einfamilienhäuser und vieles mehr. Das wirkt sich entsprechend auf die Lebenshaltungskosten aus. Wobei für einen Pensionär/Ehepaar mit einer gemeinsamen Rente ab umgerechnet 2000 Euro schon ein angenehmes Leben möglich ist.

Und ja, ich fühle mich integriert. Das ist aber eine Frage der Einstellung, das heißt wie man sich selbst in seiner Umwelt bewegt und mit den Menschen verbunden ist. Es fragt dann keiner, woher kommst Du. Die wichtigste Voraussetzung für ein solches Einleben ist allerdings, dass man die Sprache beherrscht und auch auf Menschen zugeht.

Entsprechend kann ich es mir nicht mehr vorstellen nach Deutschland zurückzugehen. Brasilien ist meine neue Heimat - wenn man unter dem Begriff die Region versteht, in der man sich wohlfühlt. Aber ich besuche Deutschland gern mit meiner Frau, auch wegen der Verwandtschaft. Auch wenn in Brasilien nicht alles Gold ist, was glänzt, und es innerhalb des Landes bezüglich der Regionen noch große Unterschiede gibt, liebe ich das Land. Wer selbst auswandern will, dem gebe ich den Rat: „Verbringt zunächst den Urlaub hier; sucht Kontakt zu Europäern, die schon länger hier leben und lasst euch beraten.“