Unfallversicherung und Ausland

Internationales Recht der Unfallversicherung

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Ulrich Männig

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Überstaatliches und zwischenstaatliches Recht

Das internationale Recht der Unfallversicherung gliedert sich im Wesentlichen in überstaatliches Recht und zwischenstaatliches Recht. Zum überstaatlichen Recht gehören vor allem die Vorschriften der EG, namentlich die der neuen Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009. Übergangsweise gelten ab 1. Mai 2010 im Verhältnis zu den EWR-Staaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) und der Schweiz noch die bisherigen Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 weiter. Auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Verordnungen fallen, findet seit 1. Januar 2011 die Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 Anwendung. Charakteristisch für das überstaatliche Recht ist, dass es unmittelbar, also ohne weiteren Rechtsetzungsakt durch den deutschen Gesetzgeber, gilt.

Das zwischenstaatliche Recht umfasst sämtliche Abkommen Deutschlands mit anderen Staaten über soziale Sicherheit, die Regelungen zur Unfallversicherung enthalten sowie die Übereinkommen des Internationalen Arbeitsamts, soweit sie sich auf die Unfallversicherung beziehen. Für ihre Anwendung bedarf es zunächst eines Rechtsetzungsakts durch den deutschen Gesetzgeber.

Das EG-Recht und das Abkommensrecht koordinieren u. a. die unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften der beteiligten Staaten zur Unfallversicherung bei grenzübergreifenden Sachverhalten. So wird beispielsweise regelmäßig bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Personen, die nur vorübergehend in einem anderen Staat beschäftigt sind, in diesem Staat oder in ihrem Heimatstaat zu versichern sind.

Alle Inhalte wurden sorgfältig recherchiert und entsprechen in der Regel der Rechtsauffassung der deutschen Unfallversicherungsträger. Grundlage für einige Inhalte sind Publikationen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Trotzdem sind alle Inhalte rechtlich unverbindlich und dienen lediglich der Information. Rechtsansprüche gegenüber Dritten (insbesondere den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung) können aus ihnen nicht abgeleitet werden. Zur rechtsverbindlichen Klärung von Detailfragen wenden sich die Leser bitte ausschließlich an den zuständigen Unfallversicherungsträger.

Die bis 30. April 2010 geltenden EWG-Verordnungen 1408/71 und 574/72 wirkten sich auf Arbeitnehmer, Beamte, Selbstständige und Studierende sowie ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen aus. Sie galten aber auch für Flüchtlinge und Staatenlose, die in EU-/EWR-Staaten leben.

Um die bisherigen Koordinierungsregelungen einfacher und klarer zu gestalten, wurde die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vom Europäischen Parlament und dem Rat verabschiedet. Sie ist der neue Bezugspunkt für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 findet zusammen mit der zu ihr ergangenen Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 seit dem 1. Mai 2010 im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten Anwendung. Die bis 30. April 2010 maßgeblichen Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 wurden mit Wirkung ab dem 1. Mai 2010 grundsätzlich durch die neuen Verordnungen abgelöst.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gelten nach den neuen Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 im Wesentlichen die gleichen Grundsätze wie nach bisherigem Europarecht. Im Falle eines Arbeitsunfalls in einem Mitgliedstaat der EU, des EWR und der Schweiz stellt der zuständige ausländische Unfallversicherungsträger gegen Vorlage des besonderen Anspruchsausweises E 123 entsprechende Leistungen zur Verfügung. In diesen Fällen ist es zwingend erforderlich, dass der Betroffene unverzüglich mit dem zuständigen deutschen Unfallversicherungsträger Kontakt aufnimmt.

Die Bundesrepublik Deutschland hat mit einigen Staaten bilaterale Sozialversicherungsabkommen vereinbart, in die die gesetzliche Unfallversicherung einbezogen wurde. Es handelt sich hierbei um die folgenden Staaten: Israel, Kroatien, Marokko, Serbien und Montenegro, Türkei und Tunesien. Auch in diesen Abkommen sind Regelungen enthalten, wonach die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit im Falle einer Beschäftigung in einem Abkommenstaat für einen bestimmten Zeitraum weiterhin gelten.

Es handelt sich dabei im Einzelnen um die folgenden Entsende- und Verlängerungszeiträume:

  • Israel: keine zeitliche Begrenzung
  • Kroatien: Entsendung bis 24 Monate, keine Verlängerungsmöglichkeit
  • Marokko: Entsendung bis 36 Monate, Verlängerungsmöglichkeit für weitere 36 Monate
  • Serbien und Montenegro: keine zeitliche Begrenzung
  • Türkei: keine zeitliche Begrenzung
  • Tunesien: Entsendung bis 12 Monate, Verlängerungsmöglichkeit für weitere 12 Monate

Im Falle eines Arbeitsunfalls stellt der zuständige Träger im Abkommenstaat gegen Vorlage der entsprechenden Anspruchsausweise die erforderlichen Leistungen zur Verfügung. Dabei wird für Israel die Bescheinigung ISR/D 101 benötigt, für Kroatien HR/D 123, für Marokko MA/D 123, für Serbien und Montenegro Ju 110a, für die Türkei T/A 23 und für Tunesien TN/A 23. Der Betroffene muss sich in diesen Fällen unverzüglich mit dem zuständigen deutschen Unfallversicherungsträger in Verbindung setzen.

Ein Merkblatt über den Unfallversicherungsschutz im Ausland gibt es bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in Berlin.

Personen, die sich auf Weisung ihres inländischen Arbeitgebers vom Inland in einen ausländischen Staat begeben, mit dem kein Sozialversicherungsabkommen besteht, um dort eine zeitlich begrenzte Tätigkeit für den inländischen Arbeitgeber zu verrichten, unterstehen auf Grund der Regelungen zur Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) weiterhin den deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit. Da eine feste Zeitgrenze nicht genannt ist, besteht auch für Tätigkeiten, die auf mehrere Jahre befristet sind, der deutsche Versicherungsschutz.

Unschädlich ist, wenn die betreffende Person im Inland eigens für eine Arbeit im Ausland eingestellt worden ist. War sie jedoch vorher nicht im Inland beschäftigt, muss sie hier wenigstens ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben.

Da die beschriebene Ausstrahlungsbeschäftigung unabhängig von einer etwaigen Versicherungspflicht im jeweiligen ausländischen Staat besteht, ist nicht ausgeschlossen, dass eine Doppelversicherung entsteht: in der Bundesrepublik auf der Grundlage des § 4 SGB IV und im ausländischen Staat auf der Grundlage der dortigen Rechtsvorschriften. Für die Arbeitgeber bedeutet das u. a. eine mögliche doppelte Heranziehung zu Unfallversicherungsbeiträgen.

Sachleistungsaushilfe in EU-, EWR- und Abkommenstaaten
Beim Aufenthalt in einem EU- oder EWR-Staat, der Schweiz oder einem Staat, mit dem ein Sozialversicherungsabkommen besteht, das die Unfallversicherung beinhaltet, können Personen, die während des Aufenthaltes in diesem Staat weiterhin der deutschen Unfallversicherung unterstehen oder die wegen eines früher eingetretenen Arbeitsunfalls/einer Berufskrankheit Ansprüche gegenüber einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben, Sachleistungen von den zuständigen Trägern des jeweiligen Aufenthaltsstaats erhalten. Leistungsumfang und Zeitraum, während dessen Leistungen beansprucht werden können, richten sich nach den Rechtsvorschriften des Aufenthaltsstaats.

In Staaten, deren Sozialleistungssystem nicht so stark ausgebaut ist wie das der Bundesrepublik Deutschland, ist eine Einschränkung des Leistungsumfangs der Heilbehandlung hinzunehmen. In diesem Zusammenhang wird auf die Länderberichte verwiesen. Sofern das Recht des aushelfenden Staats eine Selbstbeteiligung vorsieht, trifft dies auch die bei einem deutschen Träger der Unfallversicherung versicherten Personen. Sieht das deutsche Recht für vergleichbare Fälle keine Selbstbeteiligung vor, wird der deutsche Träger der Unfallversicherung die Kosten bei entsandten Personen im Regelfall erstatten.

Inanspruchnahme von Leistungen im sonstigen Ausland
Halten sich Personen mit Ansprüchen gegenüber der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung in einem Staat auf, mit dem kein Sozialversicherungsabkommen besteht, kann eine aushilfsweise Versorgung mit Sachleistungen nicht erfolgen. In diesen Fällen muss sich der betroffene Versicherte mit Unterstützung seines Arbeitgebers selbst um die ärztliche Versorgung bemühen. Die selbst beschafften und privat bezahlten Sachleistungen aus Anlass eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit sollte der Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen bestehenden Fürsorgepflicht vorab begleichen.

Der betroffene Versicherte oder sein Arbeitgeber können die Belege über die von ihnen bezahlten Sachleistungen dem zuständigen deutschen Träger der Unfallversicherung zur Kostenerstattung vorlegen. Die Kostenerstattung erfolgt in einem angemessenen Umfang.

Soweit der betroffene Versicherte Leistungen in Anspruch nimmt, die über den angemessenen Umfang hinausgehen (z. B. Wahl eines Einzelzimmers bei stationärer Behandlung, Spezialbehandlungen usw.), kann keine Erstattung vom zuständigen deutschen Träger der Unfallversicherung verlangt werden.

TIPP: Über die vorläufige Übernahme von Kosten für Sachleistungen sollte eine arbeitsvertragliche Regelung getroffen werden.

Rücktransport nach Deutschland
Die Kosten eines aus medizinischen Gründen erforderlichen Rücktransports in das Inland nach Arbeitsunfall/Berufskrankheit sind grundsätzlich vom zuständigen Unfallversicherungsträger zu tragen.

Wichtig: Um spätere Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der medizinischen Indikation zur Rückkehr und der zu wählenden Transportart zu vermeiden, wird eine vorherige Abstimmung mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger dringend empfohlen. Bei der Beurteilung sollte der Betriebsarzt beteiligt werden.

Sachleistungsaushilfe durch die DGUV
Regelungen des zwischen- und überstaatlichen Rechts der sozialen Sicherheit sehen vor, dass in bestimmten ausländischen Staaten versicherte Personen im Fall eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit während des Aufenthalts in Deutschland medizinisch so zu versorgen sind, als seien sie hier versichert. Die Sicherstellung dieser medizinischen Versorgung ist der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in Zusammenarbeit mit den Leistungserbringern in Deutschland übertragen. Im Zusammenhang mit der Durchführung der Aufgabe treten hauptsächlich zu Beginn einer Behandlung auf Seiten der Leistungserbringer zahlreiche Fragen auf. Es bestehen beispielsweise oft Zweifel hinsichtlich der Berechtigung der betroffenen Personen, welche Bescheinigungen von diesen vorzulegen sind, an wen man sich zu wenden hat und schließlich wie die Kostenerstattung für die erbrachten Leistungen erfolgt.

Ausführliche Informationen hierzu finden die Leser auf den Seiten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

Erleiden versicherte Personen einen Unfall oder ziehen sie sich eine Erkrankung zu und fehlt es am Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit – also ein Privatunfall oder eine unfallunabhängige Erkrankung –, bestehen keine Ansprüche gegenüber dem zuständigen Träger der deutschen Unfallversicherung. Ein Versicherungsschutz kann jedoch über die gesetzliche Kranken- oder Rentenversicherung bestehen (z. B. ambulante und/oder stationäre Rehabilitationsmaßnahmen).

Familienangehörige, die den im Ausland beschäftigten Versicherten während seines Aufenthaltes begleiten, unterliegen nicht dem Versicherungsschutz der deutschen Unfallversicherung. Eine Ausnahme gilt für Ehegatten von Selbstständigen bzw. Unternehmern, die im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses arbeitsvertraglich an diese gebunden sind und während des beruflichen Auslandsaufenthaltes begleiten.

Scheidet der Arbeitnehmer aufgrund eines zunächst nicht begrenzten Auslandsaufenthalts oder weil die an eine Entsendung geknüpften Voraussetzungen nicht vorliegen, aus dem deutschen Sozialversicherungssystem aus, bieten einige Unfallversicherungsträger eine freiwillige Auslandsversicherung (AUV) an, um den Beschäftigten auch für diese Zeit den nötigen Versicherungsschutz zu bieten (§ 140 ff SGB VII). Die Auslandsversicherung ermöglicht es dem Arbeitgeber, Mitarbeiter, die vorübergehend im Ausland tätig sind, zu versichern. Europäische Regelungen oder Sozialversicherungsabkommen dürfen jedoch nicht entgegenstehen.

Eine Auslandsversicherung besteht derzeit als eigene Einrichtung bei der:

  • Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BGRCI)
  • Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM)
  • Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU)

sowie als gemeinsame Einrichtung bei der:

  • Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM)
  • Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW)
  • Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG)
  • Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)
  • Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB)
  • Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN)

Quelle: DGUV, Berlin

Für den Bereich der Unfallversicherung sieht das Fremdrentenrecht vor, dass Personen, die einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit unter dem Schutz eines früheren deutschen Unfallversicherungsträgers in einem Gebiet außerhalb des heutigen Deutschlands oder unter dem Schutz eines ausländischen Unfallversicherungssystems erlitten haben, eine Entschädigung erhalten. Bei Versicherung unter dem Schutz eines ausländischen Unfallversicherungssystems müssen die Personen besondere persönliche Voraussetzungen erfüllen, z. B. die Spätaussiedlereigenschaft, haben.

Dem Eingliederungsgedanken des Fremdrentenrechts folgend richtet sich der Anspruch auf Leistungen prinzipiell nach dem innerstaatlichen Recht der Unfallversicherung (SGB VII). Die Höhe der Rentenleistungen ist indessen durch eine Begrenzung der Berechnungsgrundlage (des Jahresarbeitsverdienstes) herabgesetzt.

Quelle: DGUV, Berlin

Das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt deren Trägern durch gesetzliche Überleitung von Schadensersatzansprüchen die Möglichkeit, für erbrachte Leistungen von Schädigern oder deren Versicherern Ersatz zu fordern (Regress). Schadensersatzanspruch und Regressmöglichkeit bestehen grundsätzlich auch, wenn die versicherte Person im Ausland (oder im Inland von einer im Ausland wohnenden Person) geschädigt wird.

Insbesondere bei einer Schädigung im Ausland sind die dort oft geltenden andersartigen Schadensersatzprinzipien zu beachten, welche die Durchsetzung von Ansprüchen erschweren (z. B. niedrige Höchstschadensummen, kurze Anmelde- oder Verjährungsfristen, keine Anerkennung der gesetzlichen Überleitung von Schadensersatzansprüchen).

Quelle: DGUV, Berlin

Bei dem Einsatz von Mitarbeitern im Ausland gilt es, einige Besonderheiten gegenüber den Bestimmungen zu beachten, die bei Arbeitsunfällen innerhalb Deutschlands gelten. Nachfolgend wird dargestellt, mit welchen Haftungsmodalitäten der Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen im Ausland zu rechnen hat. Die Darstellung behandelt im Wesentlichen die Haftung bei Körperschäden, weil die gesetzliche Unfallversicherung nur derartige Schäden versichert.

Haftung des Arbeitgebers
Werden Unternehmen im Ausland tätig, so kann dies in der Form geschehen, dass Mitarbeiter im Voraus zeitlich befristet oder auf Dauer entsandt werden. Bei einer zeitlich befristeten Entsendung findet in der Regel deutsches Sozialversicherungsrecht und damit die Haftungsprivilegierung in der gesetzlichen Unfallversicherung weiterhin Anwendung. Bei einem dauerhaften Auslandsaufenthalt scheidet der Arbeitnehmer gewöhnlich aus dem deutschen Sozialsystem aus, was zur Folge hat, dass das Haftungsprivileg nicht gilt.

Welches Sozialversicherungsrecht Anwendung findet und demnach auch welche Haftungsregelungen greifen, ergibt sich aus Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts, d. h. den Vorschriften der EG-Verordnungen, Sozialversicherungsabkommen und aus nationalem Recht (EGBGB; SGB).

Schicken Unternehmen Mitarbeiter ins Ausland, sollten sie sich generell vorher informieren, welche Versicherungen gegebenenfalls noch zusätzlich über den bestehenden Unfallversicherungsschutz hinaus insbesondere bezüglich Haftungsrisiken abgeschlossen werden sollten. Zwecks Klärung von Detailfragen wenden sich die Arbeitgeber bitte ausschließlich an ihre zuständigen Unfallversicherungsträger.

Haftung unter Arbeitskollegen
Fallgestaltung Nr. 1: Geschädigter und Schädiger sind gewöhnlich bei einem Unternehmen in Deutschland beschäftigt und auch dort wohnhaft. Während einer unter deutschem Sozialversicherungsschutz stehenden Entsendung ins Ausland tritt das Schadensereignis ein. Grundsätzlich findet in Deutschland bei Körperschäden unter Arbeitskollegen im Rahmen eines Arbeitsunfalls der Haftungsausschluss auf die Haftung der Arbeitnehmer und anderer in demselben Betrieb tätiger Personen Anwendung (§§ 105 f. SGB VII). Bei Personenschäden unter Arbeitskollegen, die entweder ins vertragslose Ausland mit Geltung der Ausstrahlungsregelung (§ 4 SGB IV) oder in Staaten, für die über- oder zwischenstaatliches Recht gilt, entsandt sind, greift daher auch der Haftungsausschluss. Das inländische Unternehmen haftet nicht und das ausländische Deliktsrecht wird verdrängt.

Fallgestaltung Nr. 2: Der Schädiger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland und ist auch dort beschäftigt, während der Geschädigte deutschem Sozialversicherungsrecht untersteht. Das Schadensereignis tritt im Ausland ein. Für den Schädiger kommt das Haftungsprivileg der §§ 105 f. SGB VII nicht zum Tragen, das Kollegen bei Personenschäden im Inland haben. Es gilt nach internationalem Privatrecht das Deliktsrecht des Begehungsorts. Da auf den Geschädigten deutsches Unfallversicherungsrecht Anwendung findet, ist zu prüfen, ob eine Haftungsfreistellung greift. Im Regelfall dürfte jedoch nicht die Voraussetzung des § 105 SGB VII "desselben Betriebs" erfüllt sein, so dass eine Haftungsfreistellung ausscheidet.

Fallgestaltung Nr. 3: Der Schädiger ist aus Deutschland entsandt und der Geschädigte ein im ausländischen Betrieb beschäftigter Mitarbeiter. Das Schadensereignis tritt im Ausland ein. Für den Schädiger gilt das Deliktsrecht des Begehungsorts. Der Geschädigte kann den Schädiger verklagen und gleichzeitig auch dessen inländischen Arbeitgeber. Der Schädiger kann gegebenenfalls gegenüber seinem Arbeitgeber einen arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch geltend machen. Diesbezüglich besteht allerdings aufgrund fehlender einschlägiger Entscheidungen Rechtsunsicherheit. Kommt überstaatliches Recht zur Anwendung, richtet sich die Frage der Haftungsfreistellung, wie bereits oben angeführt, nach dem auf den Geschädigten anzuwendenden Sozialversicherungsrecht.

Haftung Dritter
Der entsandte Arbeitnehmer wird während seiner Auslandstätigkeit z. B. von einem Besucher des Unternehmens, also einem Dritten, geschädigt. Auch bei der Schädigung durch einen Dritten handelt es sich in der Regel um einen Arbeitsunfall. Für die Verantwortlichkeit des Schädigers gegenüber dem Geschädigten gelten grundsätzlich die Vorschriften des Landes, in dem die Schädigung erfolgt (Art. 40 EGBGB: Tatortprinzip). Auf den Geschädigten findet deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung.

Haftung gegenüber Dritten
Der entsandte Arbeitnehmer schädigt im ausländischen Unternehmen einen Dritten. Die Haftung des Schädigers richtet sich nach der vor Ort geltenden Rechtslage. Da der Dritte kein Arbeitnehmer ist und auch nicht arbeitnehmerähnlich tätig wird, kommt für ihn auch nicht ggf. nach vor Ort geltender Rechtslage eine Haftungsfreistellung durch sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen in Betracht. Als Dritter in diesem Sinne ist auch das ausländische Unternehmen anzusehen, in dem der Arbeitnehmer seiner Tätigkeit nachgeht.

Länder mit/ohne Haftungsfreistellung
Im Recht einiger Staaten ist eine Haftungsfreistellung des Arbeitgebers vergleichbar der im deutschen Recht vorhandenen Freistellung enthalten. Allerdings kann diese unterschiedlich weit reichend sein. Zu den Staaten zählen Belgien, Frankreich, Italien, Kanada, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Österreich, Portugal und USA (in Kanada und den USA besteht eine Haftungsfreistellung, wenn diese im Unfallversicherungssystem des jeweiligen Bundesstaates bzw. der Provinz so vorgesehen ist).

Keine Haftungsfreistellung existiert u. a. in: Dänemark, Großbritannien, Irland, Niederlande, Polen, Rumänien, Schweiz, Tschechien, Türkei, Ungarn.

Rechtswahlklausel im Arbeitsvertrag
Im Arbeitsrecht gilt im Prinzip ein Wahlrecht der Parteien, welches Recht Anwendung finden soll (Art. 27 Abs. 1 i. V. m. Art. 30 Abs. 1 EGBGB). Dieses ist eingeschränkt zugunsten der Arbeitnehmer durch das Günstigkeitsprinzip. So darf im deutschen Recht das gewählte Recht für den Arbeitnehmer nicht ungünstiger sein als das Recht, das ohne Rechtswahl gelten würde. Dieses wird dann im zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vereinbart. Entstehen Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag, findet das zwischen den Parteien vereinbarte Recht Anwendung.

Quelle: DGUV, Berlin

Vordrucke

Im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall und/oder Berufskrankheit in einem EU- oder EWR-Staat oder der Schweiz ist der Anspruchsausweis E 123 erforderlich.

Unabhängig hiervon sind für die folgenden Staaten diese Vordrucke erforderlich:

Staaten
Bosnien-HerzegowinaBH-1, BH-6c
IsraelD/ISR 101
KroatienD/HR 101, D/HR 111, D/HR 123
MarokkoD/MA 101, D/MA 123
MazedonienD/RM 101, D/RM 111, D/RM 123
MontenegroJU 1, JU 6c
SerbienJU 1, JU 6c
TürkeiA/T 1, A/T 11, A/T 23
TunesienA/TN 1, A/TN 11, A/TN 23

Bzgl. Detailfragen und Umsetzungshinweisen für die Praxis wenden sich die Leser bitte ausschließlich an die DGUV oder ihren zuständigen Unfallversicherungsträger.

Quelle: DGUV, Berlin (Rundschreiben D 08/2010 vom 11. Juni 2010)

Ansprechpartner

Der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) als Spitzenverband der gewerblichen und öffentlichen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist die Funktion der Verbindungsstelle und des Sachleistungsaushilfeträgers für den Gesamtbereich der deutschen Unfallversicherung übertragen worden.

Grundlage dazu sind die europäischen Verordnungen über soziale Sicherheit [Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72, ab 01.05.2010 Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009], die von Deutschland geschlossenen bilateralen Abkommen über soziale Sicherheit mit anderen Staaten und letztlich § 139a SGB VII. Zu den Aufgaben der Verbindungsstelle gehört es, versicherte Personen, Unternehmen, Träger der Unfallversicherung und andere Stellen bei der Umsetzung der internationalen Verträge zu unterstützen. Daneben hat die DGUV sicherzustellen, dass alle in EU-/EWR-Staaten und der Schweiz sowie in Abkommensstaaten versicherten Personen im Fall von Arbeitsunfall oder Berufskrankheit und Aufenthalt in Deutschland die notwendige medizinische Versorgung erhalten (sogenannte Sachleistungsaushilfe). Die DGUV beschränkt sich dabei auf die Grundsatzarbeit und die Einzelfallbearbeitung im Verhältnis zu Malta und Zypern. Mit der Einzelfallbearbeitung im Verhältnis zu anderen Staaten sind länderspezifisch einzelne Berufsgenossenschaften betraut.  

Quelle: DGUV, Berlin


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