Freie Journalistin & Bloggerin in der Türkei
Ausgewanderte Personen:
Jacqueline Jane (JayJay), 49
Beruf:
Freie Journalistin & Bloggerin bei Allaroundturkey.de
Wohin (Land/Stadt):
Muğla/Bodrum-Kargı
Wann:
Mai 2014
Warum sind Sie ausgewandert?
Sechs Jahre lang verbrachte ich hier mehrmals im Jahr meine Ferien. Ich liebe dieses Fleckchen Erde ganz besonders. Meine Villa Kunterbunt steht 50 Schritte vom Strand entfernt. Ich schaue direkt auf die türkische Ägäis. Die positive Energie, die vom Meer ausgeht, beflügelt mich in jeder Hinsicht. Ich habe lange davon geträumt, irgendwann mal hierher auszuwandern. Doch in meinem damaligen Job als stellvertretende Chefredakteurin schob ich diese Idee immer wieder bei Seite, weil andere Dinge wichtiger waren. Als meine damals erst 23-jährige schwangere Nichte von ihrem Exfreund getötet wurde, wusste ich auf einmal, dass ich nicht länger meinen Träumen hinterherhängen sollte, sondern dass ich meine Komfortzone voll durchorganisiertes Leben verlassen muss, um meinen Traum Realität werden zu lassen. Und so machte ich mich auf, mein bisher größtes Lebensprojekt umzusetzen.
Was waren die größten Hürden/Schwierigkeiten/Überraschungen bei der Auswanderung?
Ich arbeitete die letzten sieben Jahre in der Schweiz, um es genauer zu sagen, in Zürich. Also wandte ich mich an das türkische Konsulat, um so viele Informationen wie möglich zu erhalten. 90 Prozent der Aussagen stimmten bedauerlicherweise nicht. Beispielsweise wurde mir gesagt, dass ich mein Auto mit in die Türkei nehmen kann. Nach einem halben Jahr müsste ich es für einen Tag nach Europa ausführen, um es dann 24 Stunden später wieder in die Türkei einführen zu können. Das war einmal so. Aber das ist wenigstens vier Jahre her. Die Realität ist, dass Autos aus der Schweiz maximal ein halbes Jahr in der Türkei bleiben können. Ich kann jedem nur empfehlen, das Auto vorher zu verkaufen. Es gibt für Foreigner eine Plattform, um von einem anderen Foreigner ein gebrauchtes Fahrzeug günstig kaufen zu können. Das spart viel Zeit, Geld und jede Menge Ärger.
Was war das schönste Ereignis seit der Auswanderung?
Sicherlich als ich mit meinem Wagen in Venedig auf die Autofähre gefahren bin, um via Patras, Piräus, Kos nach Bodrum zu reisen. Hier traf ich auf schätzungsweise 2.500 Fernfahrer, die dafür sorgten, dass ich mich drei Tage lang wie eine Königin fühlen durfte. Dann und wann verlief ich mich auf dieser riesigen Fähre, aber es war immer jemand da, der mich zu meiner Koje führen konnte. Und wenn die Schlange am Büfett zu lang war rief mich meistens ein fremder LKW-Fahrer zu sich um mir eine halbe Stunde Anstehen zu ersparen. So war ich in diesen Tagen die Freundin zahlreicher unterschiedlicher Fahrer. Das hat mich sehr amüsiert.
Was sind die größten Unterschiede zwischen Deutschland und Ihrem Auswanderland?
Deutsche sind Perfektionisten. In der Türkei glänzt der Einzelne gern und schmückt sich mit Lorbeeren, die ihm oft nicht zustehen.
Beispiel: Ein türkischer Mann stellt sich dir gern als General-Manager vor. Später erfährst du dann, dass er Kellner ist. Ein Küchenbauer offeriert dir ein Angebot und stellt sich als Besitzer der Firma XY vor. Später kommt der eigentliche Chef vorbei und so weißt du auf einmal, dass du es mit einem ganz normalen Arbeiter zu tun hattest. Eine Schraube deiner Dusch-Schiebetüre geht kaputt. Du kontaktierst die Firma, wo du die Dusche gekauft hast. Es wird ein exakter Termin mit Uhrzeit vereinbart. Doch der Arbeiter erscheint erst vier Tage später. Türken werden dir immer wieder sagen: In zwei Tagen ist das Ersatzteil da. Die Wahrheit ist: In der Regel wartest du vier Wochen darauf und du darfst dich glücklich schätzen, wenn die Firma dann gleich vorbei kommt, um es bei dir einzubauen. Angerufen wirst du nie. Das musst du schon selbst in die Hand nehmen. Je öfter du im Ladengeschäft erscheinst und dich beschwerst, umso größer ist die Chance, dass du doch noch irgendwann das Ersatzteil bekommst. Es passiert oft genug, dass du Wochen später erfährst: Das Model wird nicht mehr gebaut, daher gibt es auch keine Ersatzteile mehr. Da hilft dir dann auch deine Garantie nichts mehr.
Der Strom fällt für drei Tage aus. Erwarte keinerlei Kommunikation in deiner Gemeinde. Da musst du dich schon selber bemühen. Ich habe mir inzwischen eine mobilen Gaskocher für 30 TL (10 €) gekauft, damit ich mir im Extremfall wenigstens morgens einen Kaffee kochen kann oder zum Abend auch mal ein Spiegelei in die Pfanne schlagen kann.
Fazit: Ich durfte so lernen meine deutschen verwöhnten Ansprüche anzupassen. Aufregen nützt nichts. Streiten noch weniger. Der Türke ist immer lösungsorientiert und wenn du freundlich bleibst, aber bestimmt, dann klappt das umso einfacher mit der Verständigung.
Was vermissen Sie am meisten an Deutschland? Was machen Sie gegen Heimweh?
Da ich bereits seit vielen Jahren nicht mehr in Deutschland lebe, weil ich vorher bereits sieben Jahre in der Schweiz lebte und arbeitete, gibt es eigentlich nichts, was ich aus Deutschland vermisse. Die frischen Lebensmittel wie Gemüse und Obst, Brot und Käse kaufe ich auf dem Wochenmarkt. Das ist wesentlich günstiger und die Qualität der Bauern ist hervorragend. Das einzige, was mich ärgert, ist die extrem hohe Alkoholsteuer. Eine Flasche Wein kostet hier ein kleines Vermögen. Bier genauso. Aber ansonsten: Nein, ich vermisse wirklich nichts. Heimweh? Das kenne ich gar nicht, weil ich da zu Hause bin, wo ich lebe. Mein Herz schlägt doch da, wo ich bin.
Ihr Ratschlag für zukünftige Auswanderer:
Von Anfang an die Sprache lernen. In den meisten größeren Städten gibt es Schulen, in denen man die türkische Sprache für relativ kleines Geld lernen kann. Aber es gibt auch auf Facebook zahlreiche lobenswerte deutsch-türkische Lerngruppen. Das macht richtig Spaß, mit anderen gemeinsam zu lernen. Pflegen Sie regen Austausch mit den Türken hier, damit Sie sich schneller zu Hause fühlen, und es ist sicherlich auch hilfreich zu akzeptieren, dass wir hier zu Gast sind und so sollten wir uns auch verhalten. In der Türkei leben unglaublich viele Deutsche. Sich untereinander zu vernetzen macht sehr viel Sinn. Gründe eine Gruppe auf Facebook und du wirst überrascht sein, wie viele deutsche Nachbarn du in deiner neuen Heimat hast.