Nach dem Studium nach Mexiko

Hier hat wohl wirklich das Schicksal den Weg gezeichnet: Hannah wollte eigentlich nur die Welt kennenlernen und die Zeit nach dem Abitur sinnvoll nutzen. Nun lebt sie im Ausland, hat einen mexikanischen Mann an ihrer Seite und ist in Lateinamerika angekommen und gleichzeitig weiterhin eine Besonderheit.

Wie alles begann

Als ich im Jahr 2011 mein Abitur gemacht habe, war mein Plan, für ein Jahr als Au-Pair nach Mexiko zu gehen. Ich wollte Spanisch lernen und mal eine andere Welt auβer Europa "richtig" kennenlernen. Ursprünglich wollte ich nur nach Lateinamerika und das Land war mir eigentlich egal, aber in Mexiko fand ich eine passende Au-Pair Familie. Ich wollte ein Jahr bleiben und dann in Deutschland studieren, soweit die Theorie. In Mexiko geschahen dann 3 wichtige Dinge: Ich merkte, wie sehr mir das Land und das Leben hier im Gegensatz zum "strengen" und "geregelten" Deutschland gefiel. Ich wollte nicht mehr Theologie studieren, wusste aber auch nicht, was ich stattdessen studieren sollte. Und das wichtigste: Ich lernte meinen Freund kennen. Als das Jahr dann zu Ende war und ich nach Hause flog, erinnere ich mich gut an das Gefühl in dem Moment, als das Flugzeug in Mexico City abhob: Alles in mir wollte hier in Mexiko bleiben. Ich merkte, wie ich innerlich schrie und nicht wieder zurück nach Deutschland wollte, weil ich spürte, dass mein Platz hier war.

Wenige Monate später kehrte ich also zurück nach Mexiko, um zu sehen, was aus unserer Beziehung wurde und mir in Ruhe zu überlegen, was ich studieren wollte.

Und nun ist es 5 Jahre später – ich bin nach meinem Studium in Deutschland wieder nach Mexiko zurückgekehrt und mein Freund ist inzwischen mein Ehemann. 

Das Leben in Mexiko

Bevor ich nach Mexiko kam, hatte ich kaum eine Vorstellung von dem Land. Ich war zuvor noch nie in einem "Schwellenland" gewesen, hatte außerhalb Europas nur die USA besucht und ich erinnere mich noch gut an das Klischee von dem Mexikaner, der mit einem riesigen Sombrero auf dem Kopf und einer Flasche Tequila in der Hand an einen Kaktus gelehnt sitzt, ein paar Meter neben ihm sein Esel und im Hintergrund eine wüstenartige Landschaft. Das war das einzige Bild, was ich im Kopf hatte, neben den Worten meiner Mutter: "Du reist unter keinen Umständen in den Norden Mexikos."

Mein Bild des Mexikaners änderte sich nach meiner Ankunft in Mexiko sofort: Mexikaner sind sehr herzliche Menschen, sie empfangen Ausländer mit offenen Armen, sind ein traditionsreiches Volk und legen Wert auf ihre indigenen Wurzeln. Sie sind stolz auf ihr Land, stolz, Mexikaner zu sein – eine Einstellung, die man aus Deutschland nicht unbedingt kennt. Und sind als Volk genau so wie ihr Land unheimlich vielfältig.

Auch die Vorstellung der Wüste in Mexiko stellte sich als falsch raus – ja, der Norden ist weitestgehend Wüste, aber ansonsten ist das Land so vielfältig wie kaum ein anderes: Vulkane und Berge mit schneebedeckten Spitzen, gemäßigte Klimazonen mit großen Wäldern, weitreichende Täler, hohe Berge, tiefe Schluchten, savannenähnliche Gegenden, Regenwald, tropisches Klima, Traumstrände am Pazifik und an der Karibik – Mexiko hat einfach alles. Seine Kultur und Geschichte ist durch die Vermischung von indigenen Völkern, wie der Maya oder Azteken mit der spanischen Kultur und der daraus entstandenen mexikanischen Identität unheimlich reich. Jede Region hat ihre eigene Kultur und Traditionen und man wird nie müde, diese Unterschiede zu entdecken.

Es gibt einen Auspruch, der besagt "En México, todo se puede" (In Mexiko ist alles möglich). Dieses Sprichwort fasst die unheimliche Menge an Möglichkeiten in diesem wunderschönen Land zusammen. Egal, ob es um Jobmöglichkeiten, dem Aufbauen eines Geschäfts, dem Raushandeln aus einer Strafe wegen zu schnellem Fahren oder dem Leben an sich geht: Alles ist möglich. Man muss es nur wollen und wissen, wie. In Mexiko denkt man im Gegensatz zu Deutschland nicht quadratisch, sondern in allen möglichen Formen – wenn etwas vorne herum nicht geht, probiert man es eben hintenrum und folgt so seinen Zielen.

Gesundheit & Sicherheit

Für mich war es eine wichtige Erfahrung, nicht nur Mexiko mehr und mehr kennenzulernen, sondern auch lernen, Deutschland zu schätzen. Wenn man immer in Deutschland oder Europa lebt und nicht mal "über den Tellerrand" schaut, weiß man Dinge wie gute Organisation, Sicherheit, Sozialversicherung, Renten oder ein funktionierendes Gesundheitssystem nicht unbedingt zu schätzen.

Ich bin für Mexiko privat krankenversichert und kann das auch nur jedem empfehlen, denn die allgemeinen Krankenhäuser in Mexiko sind wirklich ein Graus. Durch die Nierenkrankheit meiner Schwiegermutter hatte ich schon mehrfach die Gelegenheit, das Gesundheitswesen ein wenig zu beobachten. Die Ärzte und Krankenschwestern sind allgemein sehr gut ausgebildete Fachkräfte und sind sehr kompetent, aber die Installationen sind alt und unschön. Die Krankenhäuser und Arztpraxen sind völlig überlaufen, man bekommt oft erst nach Monaten einen Termin bei einem Spezialisten. Und das ganze System ist unheimlich bürokratisch – man gelangt nur über ewig lange Wartezeiten und Papierkrieg zu einem Termin oder einem benötigten Medikament und es gibt sinnlose Vorschriften, die ein effektives Arbeiten im Krankenhaus behindern.

Ein anderes Problem in der mexikanischen Gesellschaft ist die Sicherheit: Das erste, was man in Deutschland in Bezug auf Mexiko gefragt wird, ist: "Ist das nicht gefährlich?" Ja und Nein. Es ist nicht so schlimm, wie durch die Medien in Deutschland manchmal suggeriert wird, aber man muss sich auf jeden Fall an ein paar Regeln halten:

Die meisten Morde in Mexiko kommen durch die Beziehungen zwischen den verschiedenen Drogenkartellen und dem Drogenhandel generell zustande. Man sollte sich da also keinesfalls einmischen. Vor allem wohlhabende Familien müssen bezüglich Entführungen aufpassen: Gerade Kinder und Jugendliche solcher Familien werden oft entführt, deshalb werden persönliche Daten wie Adresse usw. nicht preisgegeben. Auf einer Firmenwebsite beispielsweise findet man daher kein Foto oder Name von der Geschäftsführung und an privaten Schulen gibt es bei der Abholung der Kinder ein konkretes System mit Schildern, um zu verhindern, dass jemand Unbefugtes ein Kind abholt.

Und dann gibt es einfach Gegenden, die durch den Drogenkrieg so unsicher sind, dass man auch als "normaler Mensch" nicht dorthin fahren sollte. Diese Gegenden sind nicht immer die gleichen, sondern ändern sich ab und an. Seit Jahren ist der Norden Mexikos ein solches Gebiet und leider auch die Gegend um Acapulco, was zu massiven Einbrüchen im Tourismus führt. Es gibt in jeder Groβstadt unsichere Ecken oder Stadtteile, die ich zum Beispiel als blonde Frau einfach meide. Aber wenn man die Gegend ein bisschen kennt und seine Route plant, ist alles machbar und schränkt das Leben auch nicht sonderlich ein. Ich fahre in Mexiko Fahrrad, bin auch abends mal alleine unterwegs und schaue eben nur, wo es lang geht. Ehrlich gesagt habe ich mich während meines Auslandssemesters in Brasilien deutlich unsicherer gefühlt als hier in Mexiko.

Visum

Mexiko ist ein bürokratisches Land genauso wie eines, das Ausländer gerne aufnimmt. Ein Visum zu bekommen, ist also mit ein bisschen Papierkram verbunden, aber nicht weiter kompliziert. Generell bekommt man als EU-Bürger bei Einreise ein Touristenvisum, was für 6 Monate gültig ist. Um in Mexiko dauerhaft zu leben und zu arbeiten, beantragt man zunächst ein Visum für ‘residente temporal’, also “vorübergehender Einwohner”. Dieses ist in der Regel ein bis zwei Jahre gültig, danach kann man es verlängern für ein bis zwei weitere Jahre. Wenn man nach dieser Zeit plant, weiterhin in Mexiko zu leben, kann man das Visum ‘residente permanente’ beantragen – "dauerhafter Einwohner". Visa und Arbeitserlaubnis sind zwar nicht billig (um 100 – 200 Euro pro Bearbeitung), aber man bekommt sie ohne größere Probleme und muss eben nur alle Papiere einreichen und geduldig sein in der Einwanderungsbehörde.

Und die Zukunft?

Ich werde immer Deutsche sein und kann einige Eigenheiten oder Ansichten auch nicht "abstellen", obwohl das manchmal sehr hilfreich wäre. Trotzdem liebe ich das Leben in Mexiko – das Land, die Menschen, das Essen, die Leichtigkeit und die Möglichkeiten. Ich kann mir schon vorstellen, für eine begrenzte Zeit wieder in Deutschland zu leben, aber generell sehen mein Mann und ich unser Leben eher in Mexiko beziehungsweise in Lateinamerika. Wenn Sie mehr über das Leben und den Alltag hier in Mexiko und über die Besonderheiten einer deutsch-mexikanischen Ehe lesen möchten, besuchen Sie gerne meinen Blog.

Mehr zum Leben in Mexiko in unserem Ländersteckbrief