Für die Liebe nach Italien

Italien ist nicht nur das Lieblingsurlaubsland der Deutschen. Auch Auswanderer zieht es in den Süden Europas. Das Leben im schönsten Stiefel der Welt ist aber nicht immer einfach. Wie es klappen kann, berichtet uns diese deutsche Lehrerin:

Ich bin über mehrere Monate häppchenweise in die Toskana ausgewandert, habe also immer mehrere Wochen lang vor Ort gelebt und bin dann wieder in Deutschland gewesen, weil viele Dinge zu regeln waren. Die offizielle Auswanderung war schließlich Anfang 2013.

Was waren die damaligen Gründe?

Ich bin zu meinem italienischen Partner gezogen, der aus der Toskana kommt und dort wohnte. In vier Jahren Fernbeziehung war für uns klargeworden, dass wir zusammen leben wollen. Weil ich anfangs in Deutschland sehr gut verdient habe, war zunächst angedacht worden in Deutschland zu leben, aber am Ende war es wesentlich einfacher, dass ich nach Italien ging.

Warum gerade Italien?

Ich bin nie italophil gewesen, kannte Italien vor der Beziehung nur von wenigen Urlauben, und liebte es nicht wie so viele andere, die den Schritt nach Italien wagen. Dennoch war ich immer schon ein großer Fan des mediterranen Lebens an sich, dem Essen, dem Klima, dem Baustil, den Pflanzen und viele der Dinge, die ich am Leben in Deutschland vermisste und emotional mit Sommerferien und Freiheit in Verbindung brachte, fand ich auch in der Toskana. Meine Bedenken waren mehr finanzieller Natur. Ich wusste, dass es um die Wirtschaft in Italien nicht gut stand und rechnete finanziell gesehen mit dem Schlimmsten, gleichzeitig aber habe ich in den Monaten der Vorbereitung alles daran gesetzt die Sprache zu lernen, Kontakte zu knüpfen und meine neuen Tätigkeiten anlaufen zu lassen. Mein Fokus lag hier sehr auf Realismus und dem Erforschen der tatsächlichen Bedingungen. Deswegen gab es nie einen Realitätsschock, der meistens unabwendbar ist, wenn man mit unrealistischen Ideen auswandert oder einen nie endenden Urlaubsaufenthalt erwartet. Auch wenn ich immer nach meinem Bauchgefühl gehe, emotional bin und auch gerne mal zur Euphorie neige – mir hat die sehr „kalte“ Herangehensweise ans Auswandern sehr geholfen große Enttäuschungen zu vermeiden. 

Vor drei Jahren sind wir aus beruflichen Gründen nach Genua gezogen und es war schade die Toskana zu verlassen. Am Ende hat der Umzug allerdings nur Gutes gebracht und ich fühle mich hier nun genauso zu Hause wie vorher in der Toskana.

Gereizt hat mich das mediterrane Leben als solches, für das ich mich schon immer begeistert habe und das mich heute noch begeistert. Eine große Hürde war die Sprache, denn mit meinem Partner hatte ich von Anfang an Englisch gesprochen und das lief zwar sehr gut, half mir aber nicht bei meiner Integration bzw meiner beruflichen Integration. Es wäre also sinnlos gewesen mit meinem damaligen Italienischstand nach Italien zu gehen, wäre ich alleine gewesen oder hätte einen deutschen Partner gehabt. Allzu viele bürokratische Hürden habe ich nicht vorgefunden, denn Deutsche können ohne große Bedingungen nach Italien ziehen. Überrascht hat mich, dass ich meinen Führerschein habe umwandeln müssen. Ich gehörte zu den ersten damals, die den EU-Führerschein bekommen hatten; aber da es in Deutschland kein Ablaufdatum gab und in Italien alle zehn Jahre ein neuer Führerschein gebraucht wird, war meiner irgendwann nicht mehr gültig und musste erneuert werden.

Versicherungen gibt es hier nur sehr wenige. In der Hauptsache brauchte ich eine private Krankenversicherung und habe noch eine deutsche Haftpflichtversicherung; bin aber nicht mehr in alle Richtungen so teuer abgesichert, wie ich es in Deutschland gewesen war. Die Steuern sind die einzige echte Belastung, die ich im Land sehe. Es wird Freiberuflern und Kleinunternehmen nicht gerade leicht gemacht etwas aufzubauen; die Steuern treiben immer wieder eine Vielzahl von tollen Projekten in den Ruin und man kann nur hoffen, dass sich in den nächsten Monaten daran etwas ändern wird.

Abgesehen davon war ich überrascht wie unproblematisch meine Behördengänge von statten gingen. Ich bin ausnahmslos auf sehr serviceorientierte und hilfsbereite Menschen gestoßen, sowohl in der Toskana als auch in Genua.

Gab es interkulturelle Schwierigkeiten?

Nicht mehr als in Deutschland, würde ich sagen. Die Mentalität ist hier in Norditalien nicht allzu anders als meine eigene. Sicherlich ist es ein Stempel, wenn man „Ausländer“ ist und es kann immer sein, dass man nicht auf Gegenliebe stößt oder irgendwie nicht ganz dazu gehört, dennoch fühle ich mich hier genauso oft unter Meinesgleichen wie in Deutschland, denn es gibt Aspekte, die ich an den Italienern nicht verstehe und ebenso Aspekte, die ich mit den Deutschen nicht teile. Entwurzelt habe ich mich deswegen nie gefühlt.

Wie empfinden Sie die soziale Absicherung in Ihrem Land?

Italien ist ein Land mit vielen Problemen. Absicherung gibt es im Grunde keine und es wird sich einiges ändern müssen, wenn dieses Land langfristig überleben will. Mir gefällt aber der Aspekt der Eigenverantwortung. Ich finde es wichtig, dass man dir Dinge selbst anpackt, selbst alles daran setzt gesund zu sein, zu lernen, zu wachsen und möglichst autonom zu sein. Eigene Entscheidungen, eigene Verantwortung. Ich erlebe all das auch als größere Freiheit. In Deutschland habe ich jeden Monat alleine 800€ für teils völlig unnütze Versicherungen ausgegeben; Geld, das weg ist und auf Angst gebaut war. In Italien wäre so etwas undenkbar. Ebenso habe ich die Erfahrung gemacht, dass in Italien Ausbildungen und Zeugnisse weniger zählen. Viele berufliche Dinge, die sowohl ich als auch mein Partner hier machen können, hätte man uns in Deutschland nicht machen lassen, weil man dazu weitere spezielle Abschlüsse hätte vorweisen müssen. 

Wie sehen Sie die Zukunft in Italien?

Es müssen dringend Veränderungen her, denn die Jugend verlässt in Massen das Land, weil es bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 40% kaum Chancen für alle gibt. Viele Familien leben von den Renten der Großeltern oder auch Eltern, die noch aus Zeiten sind, in denen die Wirtschaft wesentlich stärker war. Sobald diese wegfallen, wird es dramatisch werden. Meiner Meinung nach ist die Politik das Problem, bzw Politiker die das Land mit ihren horrenden Gehältern immer noch weiter schröpfen. Wenn allein das abgestellt und ein faires Besteuerungssystem eingeführt würde, wären Italiens Hauptprobleme meiner Meinung nach bereits gelöst.

Beruflich habe ich persönlich immer noch ganz gute Aussichten. Ich bin ehemalige Gymnasiallehrerin für Deutsch und Englisch und liefere damit mit Unterricht, Übersetzungen und Coaching einen Service, der gerade bei dem großen Auswanderungswillen der Italiener sehr gebraucht wird.

Was ist für Sie das Besondere an Italien?

Mir gefällt das Lebendige, das Leben draußen, Meer und Sonne, das ursprüngliche Essen, das Unperfekte überall, was einem viel Druck nimmt. Und ich vergleiche immer gerne meine Ursprungskultur und die italienische, die mich umgibt und suche nach Parallelen und Unterschieden und in welchen Aspekten ich eher deutsch und wo ich eher italienisch geprägt bin. Manchmal gab es schon Szenen, in denen ich alle verblüfft habe, wenn ich z.B. auf einem Picknick für alle möglichen und unmöglichen Eventualitäten gerüstet war oder auf Ämtern alles in x-facher Ausfertigung und Varianten vorlegen konnte.

Oder ich denke da an das Jahr, in dem ich mit den Schwiegereltern unter einem Dach gelebt habe und an all die Reibereien, die uns alle in heftigste interkulturelle Bedrängnis gebracht haben. Erstaunlich war, als mein Partner mir einmal sagte, meine Lasagne sei besser als die seiner Mutter. Wer die Italiener kennt, weiß: Das kommt fast einer Heiligsprechung gleich!! Und natürlich gibt es immer wieder sprachliche Missverständnisse, die im Nachhinein extrem lustig sind. Vor vielen Jahren wollte ich beispielsweise ein neues Portemonnaie der Firma "Vera Pelle" kaufen, weil ich mit meinem alten sehr zufrieden gewesen war – bis ich dann erfuhr, dass das nicht die Marke ist, sondern nur "echtes Leder" heißt. Von all solchen Begebenheiten – lustig wie hässlich – berichte ich auch in meinem Blog "Expatriate in Tuscany – Ich pfeif auf gerade Fugen".

Fühlen Sie sich integriert?

Ich glaube, dass die Integration essentiell ist und das primäre Ziel eines Auswanderers sein sollte. Zunächst einmal die Sprache. Wer an einem Ort ist, an dem er sich nicht verständigen kann, lebt wie in einer Blase und ist im Alltag enorm eingeschränkt. Ganz abgesehen davon, dass die Sprache auch die Kultur zum Ausdruck bringt. Und diese muss man verstehen, wenn man ein Teil davon werden will. Und dann sollte man schnell versuchen mit Einheimischen in Kontakt zu kommen. Sei es durch die Arbeit oder in Kursen oder irgendwelchen lokalen Projekten. Als ich in den ersten Wochen in Genua durch die Straßen lief und mir so klar bewusst wurde, dass ich absolut niemanden kannte, der mir hier entgegenkam, da war das kein schönes Gefühl. Also besuchte ich einen Italienischkurs, lernte viele Personen kennen und wurde schnell in kulturelle Projekte eingebunden. Ich habe mehrfach auf Ausstellungen mein Land kulturell vertreten und irgendwann auch Vorträge auf Italienisch gehalten. Das hat die persönliche Lebensqualität hier wirklich enorm gesteigert und meine Integration sehr vorangetrieben. Hätte ich nicht die ersten Schritte unternommen, würde ich vielleicht noch heute niemanden auf der Straße kennen.

Würden Sie nochmal nach Deutschland zurückkommen?

Sag niemals nie. Ich finde es sehr schwer Aussagen über die Zukunft zu treffen, denn vieles in Italien kann sich schnell ändern und dann muss man flexibel darauf reagieren. Vieles hängt von der beruflichen Situation ab und da wir bereits einmal von der Toskana nach Ligurien gezogen sind, schlage ich immer nur unter Vorbehalt Wurzeln. Ich fühle mich aber generell im Ausland sehr wohl. Ich habe in der Vergangenheit auch schon in England gelebt und hatte Pläne längerfristig dorthin zu ziehen. Deswegen würde ich auch jedes englischsprachige Ausland in Erwägung ziehen oder jedes Land, in dem ich mich sprachlich gut verständigen kann, z.B die Niederlande. Auch Südfrankreich gefällt mir sehr gut. Dazu fehlt mir aber aktuell die Sprache. Wer weiß, was kommen wird. Aktuell bin ich in Italien zu Hause.